Am 26.09. findet die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus statt. Wir haben die Berliner SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und FDP gefragt: Wie haltet ihr es mit der GASAG-Gruppe, Gas als Energieträger, Arbeitnehmer:innenrechten und der öffentlichen Daseinsvorsorge? Die vollständigen Antworten der Parteien stellen wir in dieser Reihe vor. Dies sind die Antworten von Bündnis90/Die Grünen Berlin.
1. Welche Lösungen, welche Vorstellungen hat Bündnis 90/ Die Grünen für die Sicherung der Arbeitsplätze, die Weiterentwicklung der GASAG Gruppe und deren Erhalt als integrierter Energiedienstleister?
Wir GRÜNE schätzen die Rolle der GASAG bei der Umsetzung der Energiewende in Berlin. Insbesondere der Wandel hin zu einem integrierten Energiedienstleister, der Erneuerbare in den Fokus nimmt, ist positiv zu bewerten. Diese Struktur sollte aus grüner Sicht erhalten bleiben. Die große Herausforderung für die GASAG ist die Umstellung vom fossilen Erdgas auf klimaneutrale synthetische Gase. Diesen Prozess wollen wir gern begleiten. Als Bündnisgrüne wollen wir den Einfluss des Landes Berlin auf alle Energienetze ausweiten. Wir werden daher prüfen, inwieweit eine Rekommunalisierung der GASAG unseren energie- und klimapolitischen Zielen in Kooperation mit den Berliner Stadtwerken zuträglich ist. Bei allen im Rahmen der Neuausrichtung energiewirtschaftlicher Infrastrukturen erforderlichen, institutionellen und eigentumsrechtlichen Veränderungen in der Berliner Energiewirtschaft müssen die Interessen der Arbeitnehmer*innen gewahrt werden. Ungeachtet einer möglichen Rekommunalisierung haben wir Grüne uns stets für den Erhalt von Arbeitsplätzen im Bereich der Energieversorgung stark gemacht. Insofern wird es auch in Zukunft wichtig sein entsprechende Gespräche zu führen, um tarifvertraglich gesicherte Arbeitsplätze und Know-how in Berlin zu halten.
2. Welche Rolle spielt die GASAG-Gruppe in den Plänen von Bündnis 90/ Die Grünen bei der Energiewende in Berlin?
Eine große Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Umstellung von fossilen Energieträgern auf Erneuerbare. Hierzu benötigen wir einen klaren Fahrplan, wie fossiles Erdgas schnellstmöglich mit klimafreundlichen, synthetischen Gasen ersetzt werden kann. In diesem Fall ist das Gasnetz als Speicher und Transportmedium Teil der wichtigen Infrastruktur. Bei der Ausgestaltung dieser Transformation ist eine Vorreiterrolle der GASAG wünschenswert. Gern begleiten wir GRÜNE diesen Prozess. Bei der Transformation kann Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Für uns GRÜNE ist jedoch wichtig, dass es sich hier ausschließlich um grünen Wasserstoff handelt. Diesen wollen wir bevorzugt dort einsetzen, wo es keine erneuerbaren Alternativen gibt. Da sich die GASAG ebenfalls in den letzten Jahren in anderen Feldern der Energieversorgung engagiert hat, sehen wir GRÜNE die Rolle der GASAG weit über den Gasbereich hinaus. Gerade bei neuen, gesetzlichen Verpflichtungen zur Nutzung von Solarenergie auf den Dächern Berlins, würden wir uns wünschen, wenn die GASAG-Gruppe hier eine noch aktivere Rolle einnimmt.
3. Gasbetriebene Fahrzeuge haben sich in vielen Städten etabliert und bewährt. Auch hier gilt: Es ist unerheblich, ob wir von fossilem oder erneuerbarem Gas reden. Die Umstellung von klassischen auf nachhaltige Gasantriebe ist leicht zu bewerkstelligen. Auch hier gibt es eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Antriebsformen: hohe Reichweite, geringe Emissionen, schnelle Betankung, verfügbare Infrastruktur. Haben gasbetriebene Fahrzeuge einen Platz in den Verkehrskonzepten von Bündnis 90/ Die Grünen?
Ziel bündnisgrüner Politik ist Klimaneutralität deutlich vor dem Jahr 2050. Die Planung der Energie-Infrastrukturen muss daher direkt Klimaneutralität in den Mittelpunkt stellen – die Unterstützung fossiler Brückentechnologien scheint uns wirtschaftlich, sozial, sowie ökologisch nicht sinnvoll. Der Stadtverkehr kann nachhaltig im Sinne der Mobilitätswende umgestaltet werden. Viele Wege können bereits heute problemlos im Umweltverbund zurückgelegt werden. Diejenigen, die weiterhin ein Auto nutzen, werden elektrisch unterwegs sein. Die batterie-elektrische Variante hat sich im PKW-Verkehr durchgesetzt. In den kommenden Jahren wird die Ladeinfrastruktur weiter wachsen. Bis 2022 sollen 2.000 öffentliche Ladepunkte in der Stadt aufgebaut sein. Dennoch sollte das Auto in der Innenstadt nicht mehr die Norm, sondern nur noch die Ausnahme sein, denn auch Elektroautos brauchen Platz. Auch Lieferverkehr muss sich umstellen. Grundsätzlich wollen wir auch diesen Verkehr minimieren und auf die Schiene, bzw. in urbanen Gebieten auf kleinere elektrische Fahrzeuge, verlagern. Power-to-Gas-Verfahren können eine Rolle in der Energiespeicherung spielen, hier wird es auf die künftige Entwicklung der Speichertechnologien ankommen. Es ist momentan noch zu früh, sich auf eine Technologie festzulegen.
4. Wie gedenkt Bündnis 90/Die Grünen die Arbeitnehmenden-Vertretung in den Betrieben zu stärken und die Landesgesetzgebung der aktuellen Situation anzupassen?
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehört die demokratische Teilhabe der Beschäftigten in Unternehmen zu den zentralen Grundlagen einer funktionierenden Demokratie. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat von GASAG vertreten sind und damit an der Entwicklung und Umsetzung von wichtigen strategischen Programmen, wie GASAG 2025, beteiligt sind. In Anbetracht der Pandemiefolgen und ihrer Bewältigung ist es um so wichtiger, dass die paritätische Mitbestimmung nachhaltig gestärkt und ausgeweitet wird.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich gerade im Hinblick auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung und die sozial ökologische Transformation für entsprechende gesetzliche Änderungen und Neuerungen auf Bundesebene ein: Durch ein echtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht sollen Betriebs und Personalräte an der Mitbestimmung der betrieblichen Personalentwicklung und Qualifizierung von Beschäftigten mitwirken. Das bereits bestehende Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte bei Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung nach § 97 Abs. 2 BetrVG bezieht sich nur auf Vorschläge seitens der Arbeitgeber*innen. Für Weiterbildungsvorschläge durch die Betriebs und Personalräte gilt bis dato ein unverbindliches Initiativrecht, wir fordern jedoch ein echtes. Die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollen ebenso in den Katalog der Mitbestimmungsrechte aufgenommen werden.
Bei Änderungen der Arbeitsorganisation gilt bisher für Betriebs und Personalräte nur ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht. Wir wollen ein echtes Mitbestimmungsrecht über die Arbeitsmengen und die Zielvorgaben, wenn die Arbeit bei Vertrauensarbeitszeit entgrenzt wird. Hierzu fordern wir auch Mitbestimmung bei der Aufstellung von Regelungen für die Erreichbarkeit der Beschäftigten. Wir wollen ein Mitbestimmungsrecht einführen, um ein Recht auf Homeoffice und mobiles Arbeiten an einem selbstbestimmten Ort im Betrieb umsetzen zu können. Wir wollen die Arbeitgeber*innen im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes verpflichten, die Rahmenbedingungen für Homeoffice herzustellen, soweit es die betrieblichen Anforderungen im Hinblick auf die Tätigkeit zulassen.
Außerdem soll aus unserer Sicht der betriebliche Schutz der Persönlichkeitsrechte von den Beschäftigten gestärkt werden. Hierfür soll die betriebliche Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten als Mitbestimmungsrecht in das Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht aufgenommen werden. Bei der Implementierung von technischen Innovationen sind soziale Kriterien sowie MaІnahmen zum präventiven Gesundheitsschutz von Anfang an zu berücksichtigen und die Mitbestimmung für ihre Umsetzung im Betrieb zu gewährleisten.
Wir wollen die betriebliche Mitbestimmung für digitale Geschäftsmodelle öffnen. Für Betriebs-und Personalräte sowie für Gewerkschaften sollen zeitgemäße Kommunikationsformen ermöglicht werden. Dafür soll gesetzlich klar festgelegt werden, dass sie sowohl das Recht auf Zugang zu digitalen innerbetrieblichen Kommunikationsmitteln als auch auf die hierfür notwendige Grundausstattung mit digitalen Endgeräten haben. Analog zu den herkömmlichen Zutrittsrechten im Betrieb soll es ein gesetzliches „virtuelles“ Zutrittsrecht für sie geben, damit sie alle Arbeitnehmer*innen erreichen können. Damit die Mitbestimmung auch bei Unternehmen mit ausländischen Rechtsformen mit Verwaltungssitz in Deutschland gesichert wird, wollen wir diese in die Unternehmensmitbestimmung nach dem Mitbestimmungs- sowie Drittbeteiligungsgesetz einbeziehen. Aus unserer Sicht soll die Unternehmensmitbestimmung vor dem Hintergrund der sozial-ökologischen Transformation und der Digitalisierung gestärkt werden, indem der Schwellenwert im Gesetz auf 1.000 Beschäftigte abgesenkt wird. Außerdem sehen wir bei Betriebsschließungen oder Massenentlassungen ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren bei Uneinigkeit vor. Wir sehen auch entsprechende gesetzliche Sanktionen vor, wenn Aufsichtsräte rechtswidrig nicht errichtet oder nicht paritätisch besetzt werden.
5. Welche Pläne hat Bündnis 90/ Die Grünen, um eine integrierte und intelligente öffentliche Daseinsvorsorge voranzutreiben?
Eine integrierte und intelligente Daseinsvorsorge erfordert das Zusammenwirken aller Politikbereiche. Das Land Berlin hat es sich zum Ziel gemacht, eine Digitalisierungsstrategie auf Basis von Nachhaltigkeit, Teilhabe und wirtschaftlicher Entwicklung zu erarbeiten. Der erste Meilenstein der Digitalisierungsstrategie ist das sogenannte Grünbuch. Das Grünbuch soll die Diskussion über die Digitalisierung der Stadt systematisieren und strukturieren, um die Diskussion nach innen (innerhalb des Senats, zwischen den Senatsverwaltungen) als auch nach außen (Landesunternehmen, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft) zu ermöglichen. Auf Basis des Grünbuchs wird in der kommenden Legislatur mit der Beteiligung der Stadtgesellschaft ein Weißbuchprozess vollendet. Hier werden die Handlungsbedarfe aus dem Grünbuch und die Erkenntnisse aus dem Partizipationsprozess (siehe oben) in konkrete Ziele und Maßnahmen für Berlin überführt. Die Beteiligungsformate zur Digitalisierungsstrategie und auch zur Smart City Strategie wollen wir in der neuen Legislatur zusammenführen und den besten Weg finden, die Stadtgesellschaft in die Gestaltung einzubeziehen. Für die Verwaltung gibt es den IKT Lenkungsrat. Für die Steuerung des ITDZ, als zentralem Landesdienstleister, den Verwaltungsrat. In welcher Form ein Digitalrat als Weiterentwicklung des Smart City Beirates am besten zum gemeinsamen Ziel beiträgt, werden wir mit allen Beteiligten diskutieren. Für das alles braucht Berlin eine zentrale Steuerungsstruktur mit Durchgriffsrechten, Ressourcen und Budgets um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Die bisherige Aufteilung auf zu viele Senatsverwaltungen muss korrigiert werden. Wir setzen uns in der kommenden Legislatur für eine zentrale Steuerung aus dem Roten Rathaus ein. Dabei darf die Notwendigkeit für dezentrale Kompetenz nicht vergessen werden.